Es gibt viele gute Ratschläge, um einen ersten Roman zu schreiben.
- „Schreibe ein Kapitel, um dich mit deinen Figuren anzufreunden.“
- „Überlege dir ihre Vita.“
- „Verfasse ein Exposé.“
- „Erstelle einen Plan für jedes Kapitel.“
- „Lege fest, wo du anfangen willst, und wo deine Geschichte aufhört.“
Das mag schon alles stimmen. Doch wer wie ich dann feststellt, dass sich das Papier einfach nicht von selbst füllt, muss sich mit grundlegenderen Dingen auseinandersetzen. Während ich meinen Roman Weg Wollen schrieb, lernte ich auf die harte Tour, was es bedeutet, ein komplettes Buch zu schreiben. Hier sind meine acht Tipps, die dir (hoffentlich) den Einstieg erleichtern!
Tipp 1: Lerne Schreiben!
Musst du nicht. Ist nur ein Vorschlag. Aber ein erfahrener Autor braucht drei bis sechs Monate für einen Roman. Bei mir waren es fünf Jahre. Weil ich keinerlei Erfahrung im Schreiben hatte. Ich dachte, ich kriege das schon hin. Aber vier der fünf Jahre verwendete ich darauf, meinen bereits geschriebenen Text zu überarbeiten. Weil ich den ersten Wurf schrecklich fand. Und es ist verdammt schwer, sich von bereits geschriebenen Zeilen wieder zu trennen.
Darum mach es lieber gleich richtig und übe erstmal zu schreiben! Du hast im Deutschunterricht immer gute Noten für deine Aufsätze erhalten? Herzlichen Glückwunsch, aber du spielst jetzt mit den großen Jungs.
Also schreibe! Gibt es Erlebnisse, die du gerne mal aufschreiben wolltest? Kurzgeschichten, die dir im Kopf rumspuken? Ein gesellschaftliches Thema, über das du dich äußern möchtest? Willst du andere Menschen durch deine Geschichten mitreißen? Dann versuch es! Übe mit kurzen Artikeln! Schreibe drauflos!
Und setze dich mit dem Ergebis kritisch auseinander. Frage Freunde um ihre ehrliche Meinung, insbesondere solche, die ähnliche Bücher und Artikel mögen wie du. Schau dir die Texte nach ein paar Wochen selber nochmal an und überlege, ob das wirklich gut ist. Nicht verzweifeln: Sehr wahrscheinlich findest du es schrecklich.
Du wirst dich fragen: Was machen erfolgreiche Autoren anders? Dazu solltest du dich mit anderen Autoren auseinandersetzen!
Tipp 2: Lies dein Lieblingsbuch nochmal!
Also lese! Das tust du vermutlich ohnehin, viel muss sich also gar nicht ändern. Wenn du aber ernsthaft schreiben willst, wirst du Bücher mit anderen Augen lesen müssen.
Denn die Kunst des Schreibens besteht in erster Linie darin, dass der Leser nicht bemerkt, wieviel Arbeit du als Autor in die Formulierungen steckst. Und wenn dich als Leser eine Geschichte dermaßen in ihren Bann zieht, dass du das Buch gar nicht mehr zur Seite legst, dann liegt das daran, dass der Autor die richtigen Worte gefunden hat, die richtigen Bilder beschreibt und die richtige Technik verwendet.
Also lerne von deinem Lieblingsautor! Wie geht er mit Sprache um? Nach welcher Struktur baut er seine Kapitel auf? Wie einzelne Absätze? An welcher Stelle verwendet er innere Monologe? Wo Beschreibungen?
Versuche diese Techniken bei deinen zukünftigen Texten anzuwenden. (Halte dich nicht zu lange mit der Überarbeitung deiner alten Texte auf. Es wird dir schwerfallen, bereits Geschriebenes radikal auszusortieren und dadurch eierst du immer wieder um deine alten Formulierungen herum. Zur Erinnerung: Vier Jahre habe ich zur Überarbeitung gebraucht!) Du wirst sehen: Es wird besser!
Tipp 3: Keep it simple!
Dein erster Roman muss ja nicht gleich Die Blechtrommel* werden. Klar träumt man davon. Ist aber eher unwahrscheinlich.
Die Geschichte, die in meinem Herzen schlummerte, war leider ganz und gar nicht simpel. Ich plante verschiedene Zeitschienen, verschiedene Sprachstile, umfangreiche Methaphorik. Das kann einen naiven Schreiberling ohne jede Erfahrung schonmal überfordern. Was letztenendes zu drölfzig Überarbeitungen führt. Und was ist der Dank? Agenturen lesen nur die ersten Seiten. Wenn da nicht schon klar ist, wo die Reise hinführt, landet das Manuskript sofort in der Rundablage.
In deinem ersten Roman musst du vor allen Dingen beweisen, dass du schreiben kannst. Und dafür brauchst du eine eindringliche Geschichte. Solltest du also mehrere Ideen haben, kann ich dir aus eigener Erfahrung herzlich empfehlen: Beginne mit der, die du am klarsten definieren kannst. Wenn in der ersten Szene ein Mord geschieht, ist schonmal relativ klar, wo die Reise hinführt. Wenn dann auch noch der ermittelnde Kommissar ein sympathischer Kerl ist, hat der Leser eine gute Vorstellung davon, was ihn erwartet.
Verstehe mich nicht falsch: ich bin ein großer Fan von Geschichten mit Metaebene, unterschwelliger Sozialkritik, zeitloser Gültigkeit undsoweiter. Und eine Geschichte wird definitiv besser, wenn du solche Aspekte gelungen integrierst. Aber zuerst muss die Geschichte passen, dann die Metaebene! Spar dir den Kram mit der tiefschürfenden Methaphorik im Zweifelsfall für den nächsten Roman! Dann hast du im Idealfall bereits einen Verlag, und deine Partner (und du selbst) wissen, was du kannst.
Tipp 4: Mach Pläne – und verwerfe sie!
Das ist jetzt vielleicht Ansichtssache. Und selbstverständlich brauchst du grundsätzlich ein gutes Konzept. Ein paar Fragen wirst du dir schon stellen müssen: Was für ein Genre soll es werden? In welcher Umgebung soll mein Roman spielen? Welchen Charakter hat meine Hauptperson? Habe ich genug Gegenspieler, um die Geschichte unterhaltsam zu gestalten?
Doch ein Buch zu schreiben ist wie eine Reise: Am besten wird das Ergebnis, wenn man bereit ist, seine Pläne zu ändern. Du wirst feststellen, dass deine Figuren lebendig werden, wenn du ihnen nur genug Raum gibst. Entwicklungen, die du für sie vorgesehen hast, ergeben möglicherweise gar keinen Sinn mehr. Gestatte ihnen, sich so zu entwickeln, wie es organisch wächst, wie es für sie plausibel ist. Sei nicht zu streng mit deinen Plänen!
Zwänge dir deshalb kein allzu enges Korsett auf. Ich für meinen Teil hatte eine Erzählstruktur geplant, die immer zwischen Gegenwart und Rückblende hin- und hersprang. In beiden Zeitschienen musste sich die Geschichte gleichmäßig ihrem jeweiligen Höhepunkt annähern. Und jedes Gegenwartskapitel benötigte einen klar verständlichen Übergang in die nächste Rückblende. Das empfand ich phasenweise als gute Hilfe für meine Arbeit, phasenweise aber auch sehr hinderlich, und es verursachte einen guten Teil meines Überarbeitungsbedarfs.
Übrigens: Irgendwann wirst du an einen Punkt gelangen, an dem du die Geschichte glasklar vor dir siehst. Ich wusste zu Beginn tatsächlich nicht, wie mein Roman enden sollte. Eines Tages machte es dann klick – und der Rest der Geschichte schrieb sich praktisch wie von selbst. (Einen Einblick in diese Schaffensphase findest du hier.) Du wirst diesen Punkt ebenfalls erreichen – aber höchstwahrscheinlich nicht, bevor du überhaupt angefangen hast!
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Tipp 5: Löse dich von deiner Hauptfigur!
Man neigt dazu, Anekdoten aus der eigenen Erfahrung in seinen Roman einfließen zu lassen. Besser, du haust dir dabei von Anfang an auf die Finger! Je später dir auffällt, dass diese die Geschichte um keinen Meter voran bringen, umso schwerer wird es dir fallen, sie wieder herauszustreichen. Grundsätzlich muss gelten: Alles, was du schreibst, muss wichtig für die Geschichte sein!
Natürlich darf auch mal etwas dabei sein, das deine Hauptpersonen charakterisiert, sie für den Leser greifbarer macht. Dazu kann auch mal eine eigene Erfahrung herhalten. Du darfst dabei aber nie aus dem Augen verlieren, dass es hierbei um deine Geschichte geht, nicht um dich!
Das ist leichter gesagt als getan. Insbesondere erste Romane tragen häufig autobiografische Züge, auch und insbesondere von großen Autoren wie Thomas Mann (Buddenbrooks*). Aber der Junge konnten zum einen phänomenal mit Sprache umgehen, sodass man ihm das gerne nachsah, und lebte zum andern in gesellschaftlich bedeutenden Zeiten.
Jedenfalls mag es schon vorkommen, dass dir mal noch eine Szene fehlt, dir dann eine persönliche Erinnerung einfällt, und ehe du dich versiehst, hast du sie in deine Geschichte verwurstet. Und spätestens wenn du das Kapitel Monate später überarbeitest, wirst du dich meiner Warnung erinnern! Also gehe lieber gleich vorsichtig damit um.
Tipp 6: Stell dir die Szene bildlich vor!
Bevor du mit dem Schreiben einer Szene beginnst, schalte mal dein Handy aus, klappe den Laptop zu und schließe die Augen. Das ist in unseren heutigen Zeiten schwerer getan, als man meint. Stelle dir die Umgebung vor, in der die Szene spielen soll. Nicht nur die Landschaft oder Möbelstücke, benutze alle deine Sinne!
- Was für Geräusche gibt es? Klappern die Schreibmaschinen im Büro? Bellt ein Hund auf der Straße? Klimpert von fern ein Klavier?
- Riecht es? Hat dein Gegenüber mal wieder sein Deo vergessen? Liegt der faulige Gestank der Verwesung in der Luft?
- Zieht eine Eiseskälte durch den Raum? Bläst der Wind in den Bergen? Bringt die Hitze des Sommers die Straßen zum Dampfen?
Ich empfehle dir, bereits vor dem Schreiben festzulegen, welche Gestaltungselemente du verwenden willst, um der Szene eine Stimmung zu verleihen. Mach dir ruhig eine Liste und überlege dir grob, an welcher Stelle du welche Beschreibung einfließen lässt. Denn in meinen Augen gibt es nicht Schlimmeres, als sämtliche Beschreibungen einer Szene lieblos an den Anfang zu klatschen. So etwas liest sich wie ein mittelmäßiger Blog.
Das kannst du besser! Dein Protagonist könnte die Dinge zum Beispiel erst nach und nach wahrnehmen. Oder du erwähnst die Beschreibung ganz beiläufig in einem Nebensatz, anstatt sie an den Anfang zu stellen. Wichtig ist auch: Du musst nicht in jedem neuen Raum beschreiben, wo der Tisch steht und auf welcher Seite die Fenster, im Gegenteil! Hier ist weniger oft mehr.
Am besten beschreibst du Dinge, die für die Stimmung wichtig sind. Schreibe also nicht:
„Links waren die Fenster, sie waren einen Spalt geöffnet.“
Sondern kombinieren zum Beispiel eine Beschreibung wie beiläufig mit einem Ereignis:
„Durch den offenen Spalt der Fenster drängte der Rauch des Feuers herein.“
Hier wirst du ein wenig rumprobieren müssen und letztlich deinen eigenen Weg finden. Die Art, wie man etwas beschreibt, kann ja auch ein Stilmittel mit Wiedererkennungswert werden. In jedem Fall lohnt es sich, auf diesen Aspekt ein kritisches Auge zu haben. Denn ich halte die Art der Szenenbeschreibung für elementar. Sie unterscheidet einen gewöhnlichen Text von einer packenden Schilderung.
Tipp 7: Nutze aktive Verben!
Okay, das ist jetzt nichts Neues. Vermutlich wird dir das jeder Schreibratgeber als allererstes um die Ohren hauen. Ich bin jedoch überzeugt, dass dies gemeinsam mit Tipp 6 der Schlüssel zu einer mitreißenden Geschichte ist.
Denn welcher der folgenden Formulierenungen klingt denn am lebendigsten?
- „Im Ratgeber wird beschrieben…“
Buuuh! Passive Rede und langweiliges Verb! - „Der Ratgeber beschreibt…“
Etwas besser. Aktive Rede, langweiliges Verb. - „Der Ratgeber empfiehlt…“
Deutlich besseres, da aktiveres Verb! - „Der Ratgeber haut dir um die Ohren…“
Sehr lebendig! Natürlich nicht für jeden Text geeignet, aber eine wirklich flotte Formulierung!
Deshalb denke daran:
- Du gehst nicht einfach nur in einen Raum hinein, sondern du betrittst ihn, stürmst hinein, preschst durch die Tür oder klopfst schüchtern an!
- Du läufst nicht einfach nur, sondern du sprintest, schleichst, schlurfst oder näherst dich federnden Schrittes!
- Da liegt nicht einfach nur ein Brief im Briefkasten, sondern du nimmst ihn im Empfang oder fingerst ihn durch den Briefschlitz heraus!
Auch hier macht die Übung den Meister. Und es lohnt sich, diesen Tipp gemeinsam mit Tipp 6 beim Schreiben stets im Kopf zu haben. Dann wird es dir bald schon auffallen, wenn du mal wieder ein langweiliges Verb benutzt, und du wirst den Satz sofort umstellen. Und noch ein wenig später wirst du ein Repertoire beisammen haben, aus dem du automatisch und ohne nachzudenken schöpfst!
Tipp 8: Fang an!
Wer hätte das gedacht. Super Tipp, ne? Aber er ist mindestens genauso wichtig wie alle anderen. Denn wie ich in Tipp 4 schon erwähnte: Deine Geschichte wird sich sehr wahrscheinlich in kleineren oder größeren Details nochmal ändern. Also fang einfach mal an!
Ich habe meine Idee jahrelang mit mir herumgetragen und war immer der Meinung, ich hätte zu viel zu tun, um sie endlich umzusetzen. Das ist Quatsch. Inzwischen weiß ich, dass man selbst neben einem Vollzeitjob noch Zeit findet zum Schreiben.
Entscheidend war im Nachhinein, sich ein kreatives und produktives Umfeld zu schaffen. Hoffst du darauf, dass dich eines Abends die Muse küsst und du das erste Kapitel in einem Rutsch herunterschreibst? Schön wär’s. Ich bin ein Jahr lang auf Weltreise gegangen um nebenher zu schreiben. Weit weg von Freunden, Alltag und Ablenkung. Trotzdem tat ich einen Monat lang erstmal gar nichts. Weil ich dachte das kommt von ganz alleine.
Ein bisschen ist das schon so: Du brauchst den zündenden Funken, die entscheidende Idee, womit du beginnen willst. Aber wenn es so weit ist – dann leg los! Ich bin schon gespannt auf deinen Bestseller.
Viel Erfolg! Dein Götz
Weiterlesen…
Eine sehr schöne, kurze Übersicht über zehn wichtige Schreibtipps präsentiert der Thrillerautor Marcus Johanus auf seinem Blog.
Eindrücke, wie ich beim Schreiben meines Romans Weg Wollen voran kam, schildere ich hier:
Lieber Götz,
ich finde den letzten Tipp am Wichtigsten, denn ich kenne sooo viele Menschen, die vom eigenen Buch träumen, aber sich einfach nicht trauen, anzufangen. Und wie du schon schreibst ist das Umfeld recht entscheidend, bzw spielt da auch das Thema Zielsetzung und Integration in den Alltag eine wichtige Rolle. Noch verstärkt für alle unter uns, die einen ganz normalen Alltag mit Arbeit, Kindern etc zu bewältigen haben. 🙂
Ich finde es sehr gut, dass du auch erwähnst, dass Schreiben viel mit Üben zu tun hat. Schreibkurse und Ratgeber bringen nur bis zu einem gewissen Grad etwas, du musst dir auch die Zeit geben, deinen eigenen Stil zu entwickeln. Dabei spielt nach meiner Erfahrung neben der Schreibpraxis und dem gründlichen Analysieren von anderen Büchern auch die persönliche Weiterentwicklung eine Rolle: Nichts spiegelt sich stärker in unseren Texten, als wenn wir herausfinden, wer wir selbst sind und was wir mit diesem Leben anfangen wollen.
Herzliche Grüße,
Marie
Hallo Liebe Marie, vielen Dank für deine Meinung! Ich freue mich immer von anderen Autoren zu hören. Ich sehe, du gibst auch wertvolle Tipps auf deiner Seite und in Kursen. Werde ich gleich mal durchstöbern… 🙂
Der Text lässt mich immer wieder schmunzeln. Er erinnert mich sehr an meine eigenen Erfahrungen. Super Tipps! (Gibt vermutlich noch mehr, aber sehr hilfreich für den Anfang.)
Danke schön! Ja, es gibt sicher noch viele weitere hilfreiche Tipps und auch berechtigte andere Ansichten. Den Blog von Marcus Johanus habe ich ja extra verlinkt, seine Zusammenstellung finde ich auch klasse!