Sri Lanka-Zug-Gleisbett-Palmen


Sri Lanka ist ein wunderschönes Land, mit hübschen Palmenstränden, tropischen Früchten und freundlichen Menschen. Doch manchmal fällt auch der leidenschaftlichste Reisende in ein Loch – die nachfolgenden Gedanken hielt ich unmittelbar nach der beschriebenen Zugfahrt fest.
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Eine Zugstrecke über die Insel ist selbst für mich Neuland – und hübsch anzuschauen ist’s auch noch!

Colombo

Nichts wie raus aus Colombo. Die Stadt ist laut und stickig wie Bangkok, mit derselbe Hitze der Tropen, nur ohne den dreckigen Charme, die Backpackerviertel, die Königspaläste. Immerhin, es gibt eine Uferpromenade, wo man an kleinen Imbissen für wenig Geld essen kann.

Das wäre ganz gemütlich, würde man nicht alle Nase lang gefragt, ob man Gras kaufen möchte. Wer weiß, ob die hier nicht auch mit der Polizei zusammenarbeiten, wie in Bali, und ich bin nicht scharf auf den singalesischen Knast.

Ich nehme den ersten Zug um 6:55 nach Süden.
„Second Class?“, fragt mich der Mann am Schalter. Ich nicke.
Für eine über dreistündige Fahrt bezahle ich umgerechnet 1,35 Euro und habe es sogar recht bequem. Die meisten fahren Third Class für den halben Preis. Solche Zugpreise kenne ich sonst nur aus Indien, wo die Leute aus den Türen hängen und auf den Dächern sitzen.

Tatsächlich, die Pendlerzüge, die uns beim Verlassen der Stadt entgegenkommen, quellen wirklich aus dem letzten Loch. Da gibt’s für wenige Cent einen Platz an der frischen Luft.

An der Küste

Die Bahn verlässt praktisch nie die Küste. Näher am Meer brausen nur noch die Lastwagen vorbei, die sich laut hupend gegenseitig überholen, zwei, drei Autos nebeneinander. Wie in Nepal, denke ich, und in tausend anderen Ländern auch. Je ärmer ein Land ist, umso weniger scheint den Menschen ihr Leben wert zu sein.

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Tuk Tuk überholt Laster, Motorroller überholt Tuk Tuk – die Führerscheinprüfung scheint von Sri Lanka bis Honduras dieselbe zu sein

Und Gedanken um ein schönes Landschaftsbild macht sich hier auch keiner. Aber das ist ja fast überall so, dafür muss man nicht weit reisen, da genügt ein Urlaub in Südspanien.

Wir passieren eigentlich pausenlos Siedlungen, überall haben Menschen ihre Hütten hingesetzt. Dabei scheint sich niemand für eine einigermaßen hübsche Bauform zu interessieren. Die Wohnungen bestehen aus einfachen Backsteinmauern und Wellblech, ein Baustil, der sich von Mexico bis Feuerland seit Generationen hält. Schon klar, die wenigsten haben Geld für Ziegelsteine, aber es muss doch auch im Interesse der Menschen sein, ihre Hauswände vor dem allgegemwärtigen Schimmel zu schützen.

Stattliche Palmen säumen das Ufer, wie an den Karibikstränden Panamas. Dort, wo Flüsse münden und Lagunen ins Land ragen, erinnert mich die Landschaft an den Rio Dulce in Guatemala.

Seit zehn Jahren immer dasselbe

Und im leuchtenden Grün der Vegetation hängt der Plastikmüll. Ich bin frustriert. Ich reise nun seit zehn Jahren in solche Länder, nicht dauerhaft natürlich, aber immer wieder.

Alles begann mit einem Trip nach Bali vor über zehn Jahren. Damals entdeckte ich, dass Surfen ohne Neoprenanzug viel mehr Spaß macht. Ich liebte das Abenteuer des wilden Verkehrs, des ungezügelten Nachtlebens, genoss die Einfachheit der Unterkünfte, das tropische Essen, den Rum aus der Kokosnuss. Ich hatte Feuer gefangen.

Es folgte ein zweimonatiger Surftrip durch Mittelamerika. Von Mexico bis Costa Rica surften wir in jedem Land, besuchten alte Mayastätten, erklommen Vulkane und lernten zu tauchen. Doch ich hatte noch nicht genug.

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Strände und Palmen, soweit das Auge reicht – Willkommen auf Sri Lanka

Eine richtige Reise musste es als nächstes sein, ein Trip um die ganze Welt, ein Jahr lang mindestens. Nach dem Studium packte ich den Rucksack, ging erneut nach Mittelamerika. Ich reiste hinunter bis Chile, flog weiter nach Südostasien, klapperte dort sämtliche Länder und Strände ab, und reiste sogar noch weiter bis Nepal, in den Himalaya. Reisen in den Tropen, das war mein Ding.

Ein letztes Mal in die Tropen

Das wollte ich unbedingt nochmal machen, jetzt, wo ich im Berufsleben bin. Nochmal raus in die Welt, nochmal surfen ohne Neo. Wo war ich bislang noch nicht? Auf nach Sri Lanka.

Hoffentlich ist es noch so wie damals, dachte ich zum Abflug, hoffentlich hat die westliche Welt Sri Lanka noch nicht überrollt mir ihrem Kommerz, ihren Ansprüchen, ihrer Bequemlichkeit. Jetzt, da ich hier bin, stelle ich fest: Sri Lanka hat sich nicht verändert – aber ich. Anstatt in allem den Reiz des Neuen zu sehen, vergleiche ich nur die gesammelten Eindrücke miteinander.

Wieso können die nicht einfach eine Müllverbrennungsanlage bauen, denke ich mir? Dann hätten sie wenigstens die Stromversorgung gewährleistet. Stattdessen sehe ich Menschen, die vor ihrer Tür ein paar Plastiktüten zusammenfegen und anzünden. Was für ein Mist! Macht die Bildung in diesen Ländern denn keine Fortschritte?

Nachdenklich blicke ich aus dem Fenster der Bahn. Immerhin, der Zug fuhr pünktlich ab und scheint seinen Zeitplan einzuhalten. Nicht so wie in Thailand, wo sie es hinkriegen, in drei Stunden vier Stunden Verspätung zusammenzufahren.

Plötzlich halten wir. Dann stehen wir ein paar Minuten. Dann fahren wir ein paarhundert Meter rückwärts. Dann wird eine Weiche verstellt. Auf einem anderen Gleis fahren wir weiter. Beinahe muss ich lachen. Es ist doch nicht viel anders als in Thailand.

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Ein letztes Mal surfen – vielleicht

Vielleicht hatte ich inzwischen genug Abenteuer. Zu Hause wartet eine wunderbare Verlobte auf mich, wir haben eine schöne Wohnung, das Leben als Berufstätiger ist eigentlich gar nicht so schlecht. Vielleicht bin ich langsam doch bereit, sesshaft zu werden. Diesen Trip muss ich noch abhaken, dann bin ich soweit.

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Endlich wieder surfen! Neoprenanzug vergessen und rein ins tropische Meer!

Inzwischen haben wir die Südküste erreicht. Immer wieder erhasche ich einen Blick auf die Wellen, die klar und sauber überall brechen. Es sind wunderbare Welle und kaum jemand ist im Wasser. Wie kleine Sterne glitzern die Wellenkämme in der Vormittagssonne. Der Wind bläst aufs Meer hinaus und sorgt für lange, schöne A-Frames.

Diesen Trip will ich noch machen, denke ich bei mir. Unmerklich habe ich begonnen zu grinsen. Diesen Trip werde ich noch genießen. Nur noch eine Stunde, dann bin ich in Midigama. Dann kann ich endlich selbst ins Wasser und mich austoben. Diesen Trip werde ich sowas von genießen. Und dann, mal schauen. Vielleicht bin ich dann soweit.


Reiselust und Reisefrust – Gedanken aus Sri Lanka

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