Auszug aus „Weg Wollen“ von Götz Nitsche

Nachdem Tomas einige Tage auf Little Corn Island verbracht hat, wird ihm die Sache mit der Tauchlehrerin zu heiß. Er ist froh, dass Matt und Toni weiterreisen und schließt sich ihnen an. In Granada, am Lago de Nicaragua, trifft er schließlich auf Max, einen ebenso erfolglosen wie verwahrlosten Schriftsteller. Er wird seine Sichtweise gehörig durcheinanderwirbeln.

Du magst lieber ganz am Anfang beginnen? Hier geht’s zur ersten Leseprobe!

Dieser Mann

Donnerstag, 4. März 2010

Hier gehts zum Verkauf auf Amazon
Hier geht’s zum Verkauf auf Amazon *

Da war dieser Mann. Wenn die anderen ihn nicht auch gesehen hätten, hätte Tomas geglaubt, ihn verfolgte ein Geist.

[…]

Der Schädel hielt sich in Grenzen, aber hartnäckig. Eine Weile lag Tomas schon wach und betrachtete das Etagenbett von unten. Die meisten Betten waren schon leer. Ein paar Meter weiter lagen die Cousins, Matt oben, Toni lag unten und atmete schwer. Durch die Jalousien drangen gedämpfte Geräusche der Straße. Die Rotorblätter eines sich langsam drehenden Ventilators traten rhythmisch in sein Blickfeld. Seine Blase trieb ihn schließlich aus dem Bett.

Beim Kreuzen des Innenhofes sah er den selbsternannten Geheimagenten bei Eiern und Bratkartoffeln. Fröhlich winkte er ihn mit der Gabel zu sich. Früher wäre ihm dieser Moment peinlich gewesen, aber Tomas hatte vor Jahren beschlossen, dass diese Emotion die besten Geschichten ruinierte. Und dieser Mann bot sicher Stoff für eine gute Geschichte. Er ging zu ihm hinüber.

„I’m sorry for last night, I was drunk.“
„Du bist Deutscher“, stellte der Mann fest und schob sich eine Kartoffel quer in den Mund. Er trug das gleiche Hemd wie am Vorabend, und Tomas fragte sich, ob er überhaupt im Bett gewesen war.
„Woher weißt du das?“
„Wir haben letzte Nacht deutsch miteinander gesprochen.“
Tomas erinnerte sich nicht. Englisch, Spanisch, Deutsch, sein Kopf wusste längst nicht mehr, was seine Zunge sprach.

„Und du bist offensichtlich Schweizer.“ Tomas duzte ihn wie selbstverständlich. Wer so aussah wie dieser Mann, bestand vermutlich nicht auf eine höfliche Anrede.
Der Mann nickte. „Kanton Zürich, aber für dich bemühe ich mich um eine klare Aussprache.“ Beinahe wäre ihm beim Lachen ein Kartoffelfetzen aus dem Mund gefallen. „Setz dich doch.“ Mit der Gabel deutete er auf den Stuhl ihm gegenüber.

Schlag niemals eine Einladung aus, zitierte Tomas seinen Lieblingsfilm in Gedanken. Sei offen für alles was du nicht kennst. Sei immer schön höflich, undsoweiter. Er setzte sich.

„Jedenfalls wollte ich nicht den Eindruck erwecken, ich schnüffle in deiner Arbeit herum.“
Der Schweizer lachte und Eigelb lief ihm in den Bart. „Du glaubst wirklich, ich spioniere für die Schweizer Regierung?“
Erst jetzt fiel Tomas auf, wie unsinnig dieser Gedanke war. Der Kopf war noch etwas taub heute früh.

[shortcode_meine_buecher]

„Ich hab dich verladen“, lachte der Mann. Mit seiner Gabel wischte er die implizierte Beleidigung vom Tisch. „Darfst du nicht persönlich nehmen, oder, das mache ich immer, um neugierigen Fragen auszuweichen. Alter Schriftstellertrick.“
„Also Schriftsteller bist du wirklich?“
Der Schweizer schien kurz zu überlegen. „Sieht so aus.“
„Was schreibst du denn so? Vielleicht hab ich ja schon mal was von dir gelesen.“
„Unwahrscheinlich.“ Er spießte eine weitere Kartoffel auf und schob sie sich in den Mund.
„Ich lese aber ziemlich viel“, beharrte Tomas.

Der Mann grinste verschmitzt. „Meine Veröffentlichungen sind nicht eben die auflagenstärksten, oder.“ Er wischte seine Hand am Hemd ab und reichte sie Tomas über den Tisch. „Maximilian. Aber Max genügt.“
„Wie Max Frisch!“, entfuhr es Tomas, und er fügte spöttisch hinzu: „Um nur alle Schweizer Schriftsteller zu nennen, die ich kenne.“
„Du vergisst Dürrenmatt“, brummte Max.
„Schon gut, war ein Scherz.“
„Und in der neueren Zeit hat es auch ein paar gute. Werner zum Beispiel, oder…“
„Volles Roäh?“
„Wie?“
„Vergiss es.“

Dieser Mann, dieser rätselhafte Mann, der ihn seit seiner Ankunft in Granada zu verfolgen schien, hatte mit einem Mal einen Namen, eine Nationalität und einen Beruf. Und doch stellten sich nun mehr Fragen als zuvor.

„Ich bin Tom“, entgegnete er und ihm fiel auf, dass sein Magen knurrte. „Naja, eigentlich Tomas.“ Er überlegte. „Das h hab ich irgendwann gestrichen. Schien mir mehr Sinn zu ergeben.“

Max nickte als würde er verstehen.

[…]

„Weg Wollen“ spielt zu großen Teilen in der Karibik und Mittelamerika. Die perfekte Reiselektüre für alle Träumer und Sinnsucher.

„Also“, sagte Max. „Was treibst du hier in Nicaragua?“
„Urlaub“, behauptete Tomas. Er schmatzte, weil er fand, dass ein Mann, der fröhlich und unbelastet in den Tag lebte, schmatzen würde.
Max nickte. „Gestern keinen Erfolg gehabt?“
Tomas fühlte sich ertappt, ohne zu verstehen was gemeint war. „Wie bitte?“
„Ob das mit dem Mädchen am Ende nichts wurde.“
„Wovon redest du?“
„Ich war auch dort.“

Max saß Tomas gegenüber, hatte sein Frühstück beendet und die Hände im Schoß gefaltet. Seine Fragen wirkten nicht aufdringlich, aber wie Smalltalk zwischen zwei Fremden am Frühstückstisch auch nicht gerade, fand Tomas. Max schien jede seiner Regungen im Gesicht genau zu beobachten.

Tomas zögerte. „Hast du nicht die ganze Nacht geschrieben?“
Max schüttelte den Kopf. „Manchmal weiß ich eben nicht weiter. Dann muss ich für eine Weile um die Häuser ziehen, oder.“ Er lächelte verlegen. „Schreibblockade. Eines Schriftstellers größter Feind.“
„An was schreibst du eigentlich gerade?“
„Ich hab aber doch zuerst gefragt.“ Der Schweizer zwinkerte verschmitzt. „Hat’s etwa nicht geklappt mit der Dame?“

„Du schreibst aber schon Hochdeutsch?“, konterte Tomas. Mehr schlecht als recht versuchte er, den Schweizer Dialekt nachzuahmen: „Oder Mündliart?“
Matt stand mit einem Mal neben ihrem Tisch und sah fragend von einem zum anderen. Da ihn niemand dazu aufforderte, ließ er sich schließlich einfach auf den freien Stuhl fallen.
„Dude, what a night.“
„How did it end?“, fragte Tomas.
„I’m Max“, stellte sich der Schweizer selbst vor.

Matt betrachtete die ihm angebotene Hand, als handelte es sich um das falsche Ende einer Klobürste.
„Dude, I don’t know what happened. Irgendwas ist schiefgelaufen. Wir haben geredet und geredet, stundenlang, und am Ende war’s für nichts. Außer, dass ich ihr zwei Bier ausgegeben habe.“

Tomas lachte. „Mach dir nichts draus. Hat mich auch zwei Bier gekostet, bis ich‘s gemerkt hatte. Trotzdem hattest du ungefähr zweitausend Gelegenheiten, sie zu küssen.“
„Wann denn?“ Matt warf die Hände in die Luft. „Und bis du was gemerkt hattest?“
„Ungefähr immer.“ Tomas kratzte die Reste auf seinem Teller zusammen. „Wie habt ihr euch eigentlich unterhalten? Dein Spanisch ist ja eher mittelmäßig.“
Matt schnaubte. Mittelmäßig war stark übertrieben. Er konnte ein bis zehn Bier bestellen und damit hatten sich seine Spanischkenntnisse erschöpft.
„Das war ja grade das Problem. Keine Ahnung, wovon die gelabert hat. Ihr Englisch war unterirdisch. Und was gemerkt?“

„Wenn sich ein Mädchen zwei Stunden mit dir unterhält, ohne dass ihr einander im Geringsten versteht, glaubst du nicht, dass du sie einfach hättest küssen können?“, fragte Tomas.
Matt runzelte die Stirn, sein Verstand war noch immer etwas umnebelt. Allmählich wurde es aber klarer.
„WAS gemerkt?“

„Das waren Golddigger. Die hätte dich nicht nur geküsst, die hätte dich auch geheiratet.“
Matt starrte leeren Blickes zum Ventilator an der Decke. Er schien den Vorabend Revue passieren zu lassen. Schließlich zuckte er mit den Schultern.
„Dann kann ich wohl froh sein, dass ich meine Brieftasche noch habe.“
„Lediglich zwei Bier haben sie daraus entwenden können“, lachte Tomas.
„Scheiß drauf, ich geh mal Frühstück holen.“

Max hatte das Gespräch schweigend verfolgt, mit hochgezogenen Augenbrauen und leisem Lächeln. Ab und zu zuckte sein Mundwinkel, verborgen und verraten durch seine Gesichtsbehaarung.
„Und Goldgräber sind also nicht dein Fall?“, fragte er schelmisch.
„Und wovon handelt nochmal genau dein nächster Erfolgsroman?“, gab Tomas zurück.

Tomas fielen genug Gründe ein, nicht mit diesem Mädchen zu schlafen. Ein Schlafsaal mit elf möglichen Zuschauern. Ihr Wohnort im schäbigsten Viertel der Stadt. Der Gedanke, dass sie ihn wohl ausnutzen wollte, um zu Geld zu kommen. Der Gedanke, dass er sie ausnutzen würde, hätte er dennoch Sex mit ihr. Der Gedanke, wie viele Männer sie wohl schon vor ihm ausgenutzt hatten.

„Leben, Liebe, Schicksal. Das Übliche“ beantwortete Max schließlich seine Frage. Nun sah er ihn auffordernd an.
Tomas nickte. Max wusste das Spiel zu spielen und er spielte es gut. Ein Häppchen Antwort für ein Häppchen Fragen. Quid pro Quo. Max hatte geantwortet, nun war er an der Reihe.

„Früher wäre es mir wohl egal gewesen“, sagte Tomas. Er war selbst überrascht. Weil Max ihn dazu gebracht hatte, ehrlich zu antworten. Und weil es wohl stimmte: Früher wäre es ihm wohl egal gewesen. Früher hätte er alles darangesetzt, mit dieser Frau zu schlafen. Aber jetzt nicht mehr.



Neugierig geworden? Dann könnte mein Roman „Weg Wollen“ etwas für dich sein. Folge einfach dem nebenstehenden Bild direkt zu Amazon.
Der Roman ist sowohl als Taschenbuch erhältlich, als auch als E-Book – in diesem Fall zum Vorzugspreis von 2,99€!
Für alle Nicht-Kindle-E-Book-Besitzer ist es auf vielen weiteren Plattformen wie Talia* erhältlich.
Weitere Informationen zu seiner Veröffentlichung, Rezensionen, weitere Bezugsquellen und mehr findest du in der Rubrik „Schreiben“.

Ebensfalls eine gute Idee: Ein Amazon Geschenkgutschein. Zum Beispiel für ein gutes Buch…

Leseprobe: „Weg Wollen“ – Teil 2

Beitragsnavigation


Ein Gedanke zu „Leseprobe: „Weg Wollen“ – Teil 2

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner